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Nach vier Monaten war die Rüstung fertig. Da Radin wieder mitkommen wollte, fuhr ich am
28.07.04 die bescheidenen 500 km von Frankfurt / Oder nach Lengerich, um mich mit ihm zu
treffen. Am nächsten Morgen, dem 29.07.04 also, sprudelten wir rund 510 km nach
Stuttgart, um zur Mittagszeit bei Herrn Kallus einzutreffen.
Wieder war eine Elefantentour angesagt, über 1000 km zusammen mit Radin, hin und zurück,
sowie weitere über 1000 km, damit ich überhaupt nach Lengerich und wieder in mein
Städtchen zurück kommen konnte. Das alles auf drei Tage verteilt.Nun war die Feinanpassung notwendig, um dann nach Möglichkeit die
Rüstung sofort mitzunehmen. Um es gleich im Vorab zu sagen - die Feinanpassung klappte
dahingehend bestens, daß keine Teile noch großartig umgeändert und dann postalisch
zugesendet werden mußten.
Nach über sechseinhalb Stunden Anproben, Feinanpassungen,
Fachsimpeln, so mancher Zigarette, einigen Tassen und Gläsern an Kaffee und Mineralwasser
stand alles, paßte, hatte Luft, war bestens und überhaupt ... und wir verließen wieder
die Ritterschmiede - um zuerst einem Dinner an kulinarischen Raffinessen von MC Donalds zu
frönen.
Radin war wie gewohnt fleißig und fertigte auch an diesem
Tag ein paar Fotos an, welche hier ausgestellt werden.
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Ein paar Dinge am Rande, so für die Interessierten:Wie war der Tag bei der Anprobe?
An dem Tag hatten wir eine Außentemperatur von über 30 Grad plus im Schatten.
Ja, auch im Zimmer war es warm, wenngleich es dennoch merklich angenehmer war als
draußen.
Ja, es wird warm in so einer Rüstung. Rüstungen können sich durchaus bis 60 Grad
draußen aufheizen - und es kippten durchaus einst unsere werten Vorfahren wegen einem
Hitzeschlag schon um. Ein Wappen- / Waffenrock über das Teil angezogen kann dagegen
ungemein helfen, ob man es glaubt oder nicht.
Warum Jeans und ein dickes Leinenhemd - wo war dein Gambeson?
Oh ja, wie "un-a" aber auch. Wenn es mit den Sachen paßt, und es keine
Druckstellen gibt, die noch ausgearbeitet werden müssen, Feinarbeiten eben, dann paßt es
auch erst recht mit dem Gambeson. Ja, die Maße wurden im März mit meinem Gambeson
genommen und die Rüstung ist entsprechend so gefertigt, daß sie genug Luft und
Bewegungsfreiheit für die Nutzung mit diesem Teilchen hergibt. Das sollte eine logische
Selbstverständlichkeit sein. Meinen Gambeson hatte ich natürlich dabei.
Wie schwer ist eine Rüstung?
Das hängt stets von der verwendeten Dicke ab - sowie der eigenen Körpergröße und damit
von der Masse die man dann letztlich trägt. Für Herrn Kallus galt ich als der Extremist
in der Hinsicht, das bisher kein Kunde kräftiger gebaut war und ich so ziemlich jeden
Standard sprengte. Daher war die Anpassung der Brust - und Rückenteile so eine Geschichte
für sich, was Herrn Kallus wohl manche Schweißperle bei der Produktion kostete, zumal
kein Vergleich existierte und auch keine Person zur Anpassung während des
Arbeitsprozesses für diese Größe gefunden wurde.
Ich weiß nicht genau, wie schwer das knitterfreie Teil nun ist, aber es dürfte sich bei
einer von mir gewählten Durchschnittsstärke von 1,5 mm bei wohl insgesamt 25 kg bewegen.
Wie dick sollte nun eine Rüstung sein?
Es kommt darauf an was du machen möchtest, wie groß und kräftig du gebaut bist, wieviel
Bewegungsfreiheit und Gewicht du für die Rüstungsdicke opfern möchtest, was dein
Geldbeutel hergibt, etc. .
Für den Schaukampf mit dem Schwert reicht diese Dicke bestens aus, für einen Keulenkampf
nur bedingt, für einen Axtkampf merklich weniger. In dieser Reihenfolge gilt es die
Prioritäten beim Waffengang zu setzen, ohne das ich hier in das Detail gehe. Die
Rüstungen können somit stellenweise bis zu 5 mm Dicke haben, wenn du es so willst. Nicht
alle Stellen müssen die gleiche Dicke besitzen, das wäre teils sogar unsinnig. Jedes
Gramm was du sparen kannst macht die Rüstung auch wieder leichter - logisch. Jeder
Millimeter an mehr Dicke macht eine Rüstung teils merklich wieder schwerer. Du mußt
deinen eigenen Maßstab dazu finden.
Muß die Rüstung auf Maß geschmiedet sein?
Auch hier gilt es die Prioritäten zu setzen. Du mußt dir die Frage stellen was du
willst. LARP, Schaukampf, richtiger Kampf / Freikampf, Living History / Reenactment, nur
herumposen, das Ding nur ins Wohnzimmer stellen, wie auch immer ... und was der Geldbeutel
hergibt. Das eine hat nichts mit dem anderen unbedingt zu tun - oder auch garnichts sogar.
Aber es liegt auf der Hand, daß eine maßgeschmiedete Rüstung immer noch den besten
Komfort bietet und Extras auch am besten berücksichtigt werden können. Lieber ein paar
Euro mehr für die Teile ausgeben und wissen was man trägt, anstatt sich sich auf
schwammige Größenangaben zu verlassen, die nachher nicht richtig passen oder gar eine
Gefahr für den Träger selbst darstellt - ganz abgesehen von der Qualität der
Verarbeitung. Die Details entscheiden genauso - und es gibt genug Plunder auf dem Markt,
den ich weniger berauschend finde. Ja, bei so einer Investition würde ich nur auf Maß
fertigen lassen, natürlich nur mit vorhergehender, ausführlicher Beratung.
Wie sieht es mit der Bewegungsfreiheit aus?
Es liegt wohl auf der Hand, daß es kein knuffiger Trainingsanzug ist, sondern eben eine
Rüstung aus Metall. Logischerweise ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die
bisherige Erfahrung mit der Rüstung zeigte, daß man zwar zu den Seiten und nach oben gut
schauen kann, jedoch nach unten nicht sonderlich gut, sondern gar nur sehr wenig sogar.
Das kann aber auch bei mir individuell nur so bedingt sein, was mit dem Kragen und dem
Halsschutz vorne zusammenhängt. Dort ist eine Lamelle, welche nachgibt, aber eben den
Hals bestens schützt und einen paßgenauen Abschluß zum Helm bietet.
Bücken geht bis zu einem gewissen Grad, wenn man aber z.B. etwas vom Boden aufheben will,
fängt man an leicht albern auszusehen.
Die Beine lassen sich über 50 Grad anwinkeln, mal grob geschätzt, also so, als würde
man auf einem Stuhl sitzen und den Fuß am Boden haben - und danach noch etwas den
Unterschenkel zum Oberschenkel hin anwinkelt. Ansonsten kann man sich so darin bewegen,
als hätte man Skistiefel an. Ich fuhr 14 Jahre regelmäßig Ski - mir macht das daher
nichts aus und ich kann mich in der Hinsicht somit bestens bewegen.
Rumpfbewegungen um die eigene Achse sind kein wirkliches Problem. Zu den Seiten abbeugend
ist es eingeschränkt. Das liegt schlicht und ergreifend daran, daß die Rumpfteile halt
an der Hüfte liegen und somit der Beugewinkel bedingt ist.
Armbewegungen sind leicht eingeschränkt, aber kein Problem, man kann mehr als genug
herumfuchteln.
Im Kampf entwickelt man eine nette Geräuschkulisse - alleine schon mit den Bewegungen,
und ja, diese sind schwerfälliger, was wohl selbstverständlich ist, wenn man ein paar
Kilos Metall am Wanst trägt.
Braucht man Ausdauer um eine komplette Rüstung zu tragen?
Eindeutig ja. Neben dem Gewicht lasten noch die Witterungsumstände auf einen, was
durchaus, je nach Aktivität, schon mal gut röcheln läßt. Und ja, man wird in dem Teil
ölen, ob man will oder nicht.
Wie ist es einen Helm zu tragen?
Stell dir vor, du hast einen nicht gepolsterten Motorradhelm aus Metall auf dem Kopf. Aber
bekanntermaßen trägt man ja noch eine gepolsterte Bundhaube darunter. Der Helm selbst
besitzt zudem noch ein verstellbares Lederinlett, sowie Kinnriemen, womit er wie
angegossen paßt und bequem genug ist, ohne zu drücken - so sollte es auch stets sein.
Die Hörfähigkeit ist eingeschränkt und man neigt deshalb dazu lauter zu sprechen. Es
kommt einem in etwa so vor, als würde man in einer Metallröhre sprechen und hören, was
ja nicht ganz so abwegig ist.
Man spürt schon, daß man einen Helm auf dem Kopf hat, zudem dieser seine guten 2 kg
schwer sein kann, teils nach Typ auch mehr, aber wenn das Teil vernünftig angefertigt
wurde, verteilt sich das Gewicht entsprechend auf die Schultern und es macht nicht
wirklich etwas aus, das Metallding auf der Murmel zu tragen.
Je nach Visier kann die Sichtweite erheblich eingeschränkt sein, ebenso die Atmung. Je
weniger man vor den Augen hat, je größer die Sehschlitze sind, je mehr Atmungsschlitze
oder sogar Mund und Nase frei sind, desto besser ist das Sichtfeld und die Atmung, das
sollte logisch sein. Es macht einen Riesenunterschied aus, einen Hundsgugel oder Topfhelm
zu tragen, im Vergleich zu einem offenen Helm. Wird es etwas anstregender, hört man
seinen Atem z.B. bei einem Hundsgugel bestens metallisch röcheln und hat einen schönen
schmalen Tunnelblick nach vorne. In der Hinsicht ist man durchaus behindert und sollte
schon wissen, wohin man sich bewegt. Aufklappbare Visiere erleichtern das Leben ungemein.
Wie lange braucht man, um die Rüstung anzuziehen?
Mit etwas Übung und der Hilfe eines Knappen, der weiß wie es gemacht wird, sowie einem
Stuhl als Hilfe, geht das sogar recht fix, in bescheidenen fünf Minuten, wenn man Gas
gibt. Macht man es gemäßigt können es bis zehn Minuten sein.
Macht man es alleine, wird es wirklich fummelig und dauert länger. Besser ist es stets
mit Hilfe.
Rostet die Rüstung?
Wenn man sie nicht pflegt - ja.
Wie lange dauert es, sich so eine Rüstung anfertigen zu lassen?
Das kommt auf deine Extrawünsche an, sowie Zeit und Auftragslage beim Schmied deines
Vertrauens. Aber mit drei Monaten Wartezeit muß man mindestens rechnen, eher sogar vier
bis viereinhalb teils.
Was kostet nun so eine Rüstung?
Für Otto Normalverbraucher sinkt der Kontostand danach durchaus merklich. Die Kosten
reichen aus, um eine angenehme zweiwöchigen Fernreise zu machen. Aber über die Preise
kannst du dich dort unten informieren, wenn du den Link anklickst.
Ist das ganze nicht etwas irre?
Jo, aber sind wir nicht alle etwas Bluna und mögen es ein Highlight für unser Hobby zu
haben - oder einen Traum zu realisieren?
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